Besorgnis der Befangenheit durch richterliche Äußerungen

Die Äußerung eines Richters auf einen angekündigten Beweisantrag des Angeklagten, dass es bei Stellung eines solchen Antrags einen weiteren Termin gebe, den der abgelehnte Richter »nicht bezahlen« müsse, begründet aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit.

Gleiches gilt für Äußerungen dahingehend, dass der abgelehnte Richter dem Angeklagten für den Fall eines erfolgreichen Ablehnungsgesuchs bei dem dann zuständigen Richter »viel Spaß« wünsche.

AG Neumünster, Beschl. v. 11.11.2015 – 27 Ls 43/15

Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der abgelehnte Richter habe eine innere Haltung eingenommen, die die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgebend sind dabei der Standpunkt eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren Prüfung der Sachlage machen kann. Die zur Begründung der Ablehnung geltend gemachten Tatsachen sind dabei glaubhaft zu machen.

Der Angekl. macht geltend, dass der abgelehnte Richter in der mündlichen Verhandlung v. 04.11.2015 auf einen angekündigten Beweisantrag des Verteidigers des Angekl. geäußert habe: »Dann gibt es eben einen weiteren Termin. Ich muss das nicht bezahlen«. Weiter habe der abgelehnte Richter geäußert, dass er keine Angst vor einem Ablehnungsantrag habe und Richtung der Verteidigung äußerte [er]: »Viel Spaß, wenn Sie mit Herrn M. verhandeln wollen«.

Der abgelehnte Richter hat in seiner dienstlichen Stellungnahme v. 04.11.2015 erklärt, dass die im Ablehnungsantrag wiedergegeben Äußerungen von ihm außerhalb der Hauptverhandlung sinngemäß getätigt worden seien.

Der Angekl. macht geltend, dass die Äußerung des abgelehnten Richters zu den Kosten den Eindruck entstehen lassen können, dass er sich über die Frage der Schuld bereits vor Ende der Beweisaufnahme eine abschließende Meinung gebildet habe und dass der abgelehnte Richter der Meinung sei, dass er sich mit seiner Meinung im Kollegialgericht durchsetzen könne.

Die Äußerung hinsichtlich des Direktors des AG M. sei grob unsachlich und intendiere eine Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung des Angekl., einen Ablehnungsantrag zu stellen.

Aus der Gesamtschau der Äußerungen und aus den einzelnen Äußerungen für sich ergäbe sich, dass der abgelehnte Richter hinsichtlich der Schuldfrage voreingenommen sei.

Bei verständiger Würdigung besteht vorliegend ein Grund zur Annahme, dass der abgelehnte Richter eine innerr Haltung eingenommen hat, die die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich parteilich oder voreingenommen ist, sondern ob bei einem verständigen Beobachter dieser Eindruck entstehen könne.

Die vom abgelehnten Richter getätigten Äußerungen sind jedenfalls in der Gesamtschau geeignet, Besorgnis über die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit bei einem verständigen Beobachter zu erzeugen.

Hinsichtlich der Äußerungen zu den Kosten, kann der Eindruck entstehen, dass der Angekl. mit den zusätzlichen Kosten einer Beweisaufnahme belastet werde, da er sofern er verurteilt würde, die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Dies vor dem Hintergrund, dass Kosten für Verfahren nie durch den Richter selbst zu tragen sind, sondern allenfalls durch die Staatskasse oder eben den verurteilten Angekl.

Die Äußerung hinsichtlich des Direktors des AG M. trägt die Besorgnis in sich, dass der abgelehnte Richter der Überzeugung sei, dass es dem Angekl. im Rahmen einer Verhandlung beim Direktor des AG M. schlechter als beim abgelehnten Richter ergehe. Damit wird zumindest indirekt auf die Entscheidung des Angekl., ob er den abgelehnten Richter ablehnt Einfluss ausgeübt. Gleichzeitig könnte ein verständiger Beobachter zu der Einschätzung gelangen, dass der abgelehnte Richter davon ausgeht, dass der Angekl. insbes. bei Direktor desAG M. mit Nachteilen zu rechnen habe, was wiederum den Rückschluss zulässt, dass der abgelehnte Richter sich bereits eine Meinung über die Schuld des Angekl. gebildet habe.

Auch wenn den Äußerungen des abgelehnten Richters auch eine andere Bedeutung zugemessen werden kann, so begründen die getätigten Äußerungen doch zumindest in der Gesamtschau die Besorgnis der Befangenheit, was hinreichend ist, um dem Ablehnungsgesuch stattzugeben.

Besorgnis der Befangenheit wegen Nutzung des Mobiltelefons in der Hauptverhandlung

Die private Nutzung des Mobiltelefons durch eine Richterin in der Hauptverhandlung gibt begründeten Anlass zu der Befürchtung, sie habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallenden Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis bereits festgelegt. Hierdurch wird überdies nicht nur die Fähigkeit beeinträchtigt, die Verhandlung in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen; es wird damit auch zu erkennen gegeben, dass private Belange über die obliegenden dienstlichen Pflichten gestellt werden.

 

BGH, Beschluss vom 17.06.2015 – 2 StR 228/14

 

Aus den Gründen:

[auszugsweise]

Die Angeklagten hatten u.a. eine beisitzende Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da diese während der Vernehmung eines Zeugen am vierten Hauptverhandlungstag über einen Zeitraum von etwa 10 Min. mehrfach ihr Mobiltelefon bedient habe. Aufgrund des mit der Bedienung des Mobiltelefons und dem Schreiben von Kurzmitteilungen einhergehenden Aufmerksamkeitsdefizits sei das Fragerecht bzw. die Fragemöglichkeit der abgelehnten Richterin eingeschränkt. Damit sei der Eindruck erweckt worden, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der Beweisaufnahme bereits zur Tat- und Schuldfrage der Angekl. festgelegt.

In der dienstlichen Erklärung hat die beisitzende Richterin u.a. ausgeführt, ihr vor ihr liegendes stumm geschaltetes Mobiltelefon in der Hauptverhandlung als »Arbeitsmittel« zu nutzen. Die an diesem Tag erwartete Sitzungszeit sei bereits deutlich überschritten gewesen. Einen (stummen) Anruf von zu Hause habe sie mit einer vorgefertigten SMS des Inhalts »Bin in Sitzung« beantwortet; eine weitere dringende SMS-Anfrage bezüglich der weiteren Betreuung der Kinder habe sie »binnen Sekunden« beantwortet. Auf Rüge der Verteidigung habe sie diesen Sachverhalt öffentlich gemacht und sich entschuldigt.

Mit Beschl. v. 15.04.2013 hat das LG den Befangenheitsantrag – ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin – als unbegründet zurückgewiesen.

Das Ablehnungsgesuch gegenüber der beisitzenden Richterin ist zu Unrecht zurückgewiesen worden.

Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes i.S.v. 24 II StPO ist grds. vom Standpunkt des Angekl. zu beurteilen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.

So liegt der Fall hier. Auch aus der Sicht eines besonnenen Angekl. gab die private Nutzung des Mobiltelefons durch die beisitzende Richterin während laufender Hauptverhandlung begründeten Anlass zu der Befürchtung, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallender Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt.

Angesichts der Tatsache, dass es die beisitzende Richterin wegen der erwarteten Überschreitung der Sitzungszeit mit vorgefertigter SMS offensichtlich von vornherein darauf angelegt hat, aktiv in der Hauptverhandlung in privaten Angelegenheiten nach außen zu kommunizieren, kommt es entgegen der Auffassung im ablehnenden Beschl. des LG auch nicht darauf an, ob deswegen die Aufmerksamkeit der Richterin erheblich reduziert gewesen sei. Denn die beisitzende Richterin hat sich während der Zeugenvernehmung durch eine mit der Sache nicht im Zusammenhang stehende private Tätigkeit nicht nur gezielt abgelenkt und dadurch ihre Fähigkeit beeinträchtigt, der Verhandlung in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen; sie hat damit auch zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, in laufender Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben und dieses über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen. Von kurzfristigen Abgelenktheiten, wie sie während einer länger andauernden Hauptverhandlung auftreten können, unterscheidet sich dieser Fall dadurch, dass eine von vornherein über den Verhandlungszusammenhang hinausreichende externe Telekommunikation unternommen wird; eine solche ist mit einer hinreichenden Zuwendung und Aufmerksamkeit für den Verhandlungsinhalt unvereinbar.

Da es sich auch nicht um ein unbedachtes Verhalten der abgelehnten Richterin handelt, das durch Klarstellung und Entschuldigung beseitigt werden kann, durfte das Ablehnungsgesuch nach alledem nicht zurückgewiesen werden.