Besorgnis der Befangenheit wegen Nutzung des Mobiltelefons in der Hauptverhandlung

Die private Nutzung des Mobiltelefons durch eine Richterin in der Hauptverhandlung gibt begründeten Anlass zu der Befürchtung, sie habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallenden Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis bereits festgelegt. Hierdurch wird überdies nicht nur die Fähigkeit beeinträchtigt, die Verhandlung in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen; es wird damit auch zu erkennen gegeben, dass private Belange über die obliegenden dienstlichen Pflichten gestellt werden.

 

BGH, Beschluss vom 17.06.2015 – 2 StR 228/14

 

Aus den Gründen:

[auszugsweise]

Die Angeklagten hatten u.a. eine beisitzende Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da diese während der Vernehmung eines Zeugen am vierten Hauptverhandlungstag über einen Zeitraum von etwa 10 Min. mehrfach ihr Mobiltelefon bedient habe. Aufgrund des mit der Bedienung des Mobiltelefons und dem Schreiben von Kurzmitteilungen einhergehenden Aufmerksamkeitsdefizits sei das Fragerecht bzw. die Fragemöglichkeit der abgelehnten Richterin eingeschränkt. Damit sei der Eindruck erweckt worden, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der Beweisaufnahme bereits zur Tat- und Schuldfrage der Angekl. festgelegt.

In der dienstlichen Erklärung hat die beisitzende Richterin u.a. ausgeführt, ihr vor ihr liegendes stumm geschaltetes Mobiltelefon in der Hauptverhandlung als »Arbeitsmittel« zu nutzen. Die an diesem Tag erwartete Sitzungszeit sei bereits deutlich überschritten gewesen. Einen (stummen) Anruf von zu Hause habe sie mit einer vorgefertigten SMS des Inhalts »Bin in Sitzung« beantwortet; eine weitere dringende SMS-Anfrage bezüglich der weiteren Betreuung der Kinder habe sie »binnen Sekunden« beantwortet. Auf Rüge der Verteidigung habe sie diesen Sachverhalt öffentlich gemacht und sich entschuldigt.

Mit Beschl. v. 15.04.2013 hat das LG den Befangenheitsantrag – ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin – als unbegründet zurückgewiesen.

Das Ablehnungsgesuch gegenüber der beisitzenden Richterin ist zu Unrecht zurückgewiesen worden.

Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes i.S.v. 24 II StPO ist grds. vom Standpunkt des Angekl. zu beurteilen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.

So liegt der Fall hier. Auch aus der Sicht eines besonnenen Angekl. gab die private Nutzung des Mobiltelefons durch die beisitzende Richterin während laufender Hauptverhandlung begründeten Anlass zu der Befürchtung, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallender Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt.

Angesichts der Tatsache, dass es die beisitzende Richterin wegen der erwarteten Überschreitung der Sitzungszeit mit vorgefertigter SMS offensichtlich von vornherein darauf angelegt hat, aktiv in der Hauptverhandlung in privaten Angelegenheiten nach außen zu kommunizieren, kommt es entgegen der Auffassung im ablehnenden Beschl. des LG auch nicht darauf an, ob deswegen die Aufmerksamkeit der Richterin erheblich reduziert gewesen sei. Denn die beisitzende Richterin hat sich während der Zeugenvernehmung durch eine mit der Sache nicht im Zusammenhang stehende private Tätigkeit nicht nur gezielt abgelenkt und dadurch ihre Fähigkeit beeinträchtigt, der Verhandlung in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen; sie hat damit auch zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, in laufender Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben und dieses über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen. Von kurzfristigen Abgelenktheiten, wie sie während einer länger andauernden Hauptverhandlung auftreten können, unterscheidet sich dieser Fall dadurch, dass eine von vornherein über den Verhandlungszusammenhang hinausreichende externe Telekommunikation unternommen wird; eine solche ist mit einer hinreichenden Zuwendung und Aufmerksamkeit für den Verhandlungsinhalt unvereinbar.

Da es sich auch nicht um ein unbedachtes Verhalten der abgelehnten Richterin handelt, das durch Klarstellung und Entschuldigung beseitigt werden kann, durfte das Ablehnungsgesuch nach alledem nicht zurückgewiesen werden.

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