Erforderlicher Anfangsverdacht für Durchsuchung

Der Nachweis eines positiven Urinscreenings im Rahmen eines Bewährungsverfahrens lässt keinen Rückschluss auf einen zwei Monate später liegenden generellen Tatverdacht des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln zu, um darauf eine Durchsuchungsanordnung zu stützen.LG Trier, Beschl. v. 05.01.2016 – 5 Qs 90/15

Aus den Gründen:

I. Die StA führt gegen den Besch. ein Ermittlungsverfahren wegen Besitz und Erwerb von Btm gem. § 29 BtMG.

Der Besch. befindet sich in einem laufenden Bewährungsverfahren. Das dort angeordnete Drogenscreening einer am 06.05.2015 durch das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung T. entnommenen Urinprobe des Besch. hat einen auffälligen Befund für Amphetamin ergeben. Dieser Befund wurde der StrVK durch die Bewährungshelferin des Besch. mit Schreiben v. 28.05.2015 mitgeteilt.

Mit Verf. v. 29.06.2015 hat sodann die StA die Anordnung einer Durchsuchung beim Besch. gem. §§ 102, 94 StPO beantragt und begründet dies mit dem auf den 06.05.2015 datierenden positiven Urintest.

Das AG Trier hat sodann mit Beschl. v. 01.07.2015 die Durchsuchung der Person sowie der Wohn-, Keller-, Neben-, Geschäfts- und sonstigen Räumen und die Beschlagnahme vorgefundener Beweismittel gem. §§ 94, 98, 102, 105, 162 StPO angeordnet. Dort heißt es u.a.:

»Der Tatverdacht ergibt sich aus dem auf Amphetamin positiven Urintest des Besch. v. 06.05.2015 in dem Bewährungsverfahren […], das eine Amphetaminaufnahme des Besch. im vorangegangenen Monat belegt. Der Konsum indiziert den Besitz von Btm. Es ist davon auszugehen, dass sich die gesuchten Btm. in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten befinden.«

Der Beschl. wurde am 07.10.2015 vollzogen.

Gegen diesen Beschl. richtet sich die Beschwerde des Besch. mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung beantragt. Diese sei unverhältnismäßig gewesen. […]

II. […] Dies führt im vorliegenden Fall zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschl.

Gemäß § 102 StPO darf eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume eines Tatverdächtigen sowie der Person selbst u.a. angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Voraussetzung jeder Durchsuchung ist mithin die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen ist und hierfür zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. § 102 Rn. 2). Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2003 – 2 BvR 358/03, NJW 2003, 2669 [2670]). Allerdings genügt es, dass aufgrund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht besteht, dass der Zweck der Durchsuchung – das Auffinden von Beweismitteln für eine bestimmte Straftat – erreicht werden kann (BVerfG a.a.O.).

Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung bedarf es mithin der Unterscheidung zwischen dem konkreten und dem weitergehenden, allein auf Rückschlüssen beruhenden Anfangsverdacht bezüglich der hier in Rede stehenden Vorwürfe des Besitzes und Erwerbs von Btm.

Ein Tatverdacht im Sinne eines Anfangsverdachts kann insoweit allein hinsichtlich des Zeitraums vor und um den 06.05.2015, dem Tag der Urinprobenentnahme, angenommen werden. Dieser ergibt sich bereits hinreichend aus dem für Amphetamine positiven Ergebnis der darauf folgenden Untersuchung eines nach DIN ISO EN 17025 akkreditierten Labors. Indes kann zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses am 01.07.2015 nicht von einem Tatverdacht hinsichtlich weiterer, fortlaufender Verstöße gegen § 29 BtMG geschlossen werden. Ein solcher Rückschluss auf einen weitergehenden Tatverdacht ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht möglich und würde auf einen Generalverdacht hinauslaufen, der für eine Durchsuchungsanordnung einer Wohnung unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Art. 13 GG nicht ausreichend ist (LG Koblenz, Beschl. v. 28.11.2008 – 9 Qs 76/08, zitiert nach juris [=StV 2009, 17]). Zwar ist auf dem Gebiet der Betäubungskriminalität durchaus von einem wiederholten Vorgehen eines Besch. auszugehen (BVerfG, Beschl. v. 15.12.2004 – 2 BvR 1873/04, zitiert nach juris). Gleichwohl darf ohne nähere Anhaltspunkte, insbes. bei dem hier in Rede stehenden Eigenkonsum, auch bei einer Betäubungsmittelvergangenheit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Besch. konsumiere wieder und weiterhin regelmäßig solche (vgl. bei einem konkreten Tatzeitraum BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013 – 2 BvR 389/13, BeckRS 2013, 59957 – [= StV 2014, 388]). Vielmehr bestand im Juli 2015 nur noch der allgemeine Verdacht, dass bei Betäubungsmittelkonsumenten immer auch Btm aufzufinden sind (so ausdrücklich LG Koblenz a.a.O.). Insbesondere erfordert die Durchsuchungsanordnung die Beachtung des Bestimmtheitsgebots. Aus dem Beschluss, der die Durchsuchung anordnet, muss sich hinreichend genau ergeben, um welchen konkreten Tatvorwurf es sich handelt (vgl. auch BVerfG a.a.O.). Die Zulassung eines Rückschlusses aus einem Anhaltspunkt auf einen zwei Monate später liegenden generellen Tatverdacht würde diese Anforderung umgehen. Schließlich äußert sich der amtsgerichtliche Beschl. auch nicht dazu, ob der Tatvorwurf sich nunmehr allein auf den Besitz um den Zeitpunkt des 06.05.2015 bezieht oder es sich um einen weitergehenden Tatverdacht handelt.

Verbleibt es letztlich bei dem Tatverdacht für den Erwerb und Besitz von Btm um den 06.05.2015 herum, hält die angefochtene Entscheidung den ebenfalls zu beachtenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht stand. Zum einen war ein Nachweis des Besitzes und Erwerbs von Btm durch den Besch. bereits durch das Ergebnis der Untersuchung der Urinprobe gegeben (LG Koblenz a.a.O.). Eine etwaige Behauptung, es hätte sich um einen besitzlosen Konsum gehandelt, kann bei lebensnaher Betrachtung – insbes. bei Amphetamin – regelmäßig entkräftet werden. Zum anderen war nicht davon auszugehen, dass ca. zwei Monate nach positivem Befund der Urinuntersuchung noch Vorräte hätten aufgefunden werden können, aus denen auf einen Besitz von Btm zeitnah zum 06.05.2015 hätte zurückgeschlossen werden können. Es handelte sich lediglich um den Vorwurf des Erwerbs und Besitzes zum Zwecke des Eigenkonsums. Bei einem solchen ist aber davon auszugehen, dass die Btm zeitnah konsumiert werden.

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